Haltungsvorschriften im Vergleich
11. November 2019
Die Tierschutzgesetzgebung in der Schweiz ist strenger als im Ausland. Im Bereich Tierwohl sind aber sogar Label Programme noch weit von einer artgerechten Haltung entfernt. Es gibt jedoch Pioniere, welche eine faire Tierhaltung anstreben, z.B. mit einer muttergebundener Kälberaufzucht. Solche Betriebe sind aber leider sowohl in der Schweiz wie auch im Ausland noch eine seltene Ausnahme.
Deshalb ist es wichtig, die Nachfrage nach den MuKa-Produkten zu steigern und so mehr Betriebe zu einem Umdenken zu ermutigen.
Übersichtstabelle
Schweiz
Gesetzlicher Tierschutz und konventionelle Haltung (CH)
In der Schweiz gibt es das Tierschutzgesetz (TSchG), welches den Tierschutz generell regelt, sowie die Tierschutzverordnung (TSchV), welche das TSchG ausführt und präzisiert. Darüber hinaus gibt es Verordnungen des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) zum Beispiel über die Haltung von Nutztieren und Haustieren oder über den Tierschutz beim Schlachten. An diese Gesetze müssen sich alle Personen in der Schweiz halten. Bei Verstössen kann Anzeige erstattet werden.
Auch wenn der Tierschutz in der Schweiz weiter geht als im Ausland (siehe unten), so gibt es doch auch bei uns noch einige Regelungen, welche alles andere als tiergerecht sind. Zum Beispiel können die frischgeborenen Kälber von ihrer Mutter getrennt werden und dürfen einzeln in kleinen Boxen von 85x135cm gehalten werden (siehe Beitrag «Vier Kälber in einem Smart»).
Die Landwirtschaftsbetriebe werden vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) mit Direktzahlungen unterstützt. Dafür müssen sie einige Anforderungen erfüllen. Im Bereich Tierschutz, gibt es jedoch nur die Vorgabe, die massgebende Tierschutzgesetzgebung einzuhalten, was sie von Gesetzes wegen sowieso machen müssen.
Es gibt zusätzliche Beiträge, für Betriebe, welche eine besonders tierfreundliche Stallhaltung haben (BTS-Programm) oder ihren Nutztieren regelmässig Auslauf ins Freie gewähren (RAUS-Programm). Von den Milchkühen waren 2017 laut Agrarbericht des BLW 48,9% im BTS-Programm und 84,5% im RAUS Programm. Bei den Kälbern liegt der RAUS-Anteil aber nur bei ca. 40%. Es ist jedoch falsch anzunehmen, dass diese Tiere ihr ganzes Leben auf der Weide verbringen. Das RAUS-Programm verlangt, dass die Tiere im Sommer an 26 Tage pro Monat auf der Weide, und im Winter an 13 Tage pro Monat auf einer Auslauffläche oder der Weide sind. Wie lange dieser Aufenthalt im Freien jeweils dauert ist jedoch nicht festgelegt. In der übrigen Zeit können die Kühe auch angebunden im Stall gehalten werden.
Biologischer Landbau (CH)
Der biologische Landbau wird in der Schweiz ebenfalls durch zusätzliche Direktzahlungen unterstützt, wenn die entsprechenden Anforderungen der Direktzahlungs- respektive der Bio-Verordnung erfüllt werden. Darüber hinaus können sich Betriebe von dem Label BioSuisse zertifizieren lassen, wenn sie gemäss deren Richtlinien produzieren. Ca. 93% der Bio Betriebe in der Schweiz sind BioSuisse Knospen Betriebe. Die Richtlinien zielen vor allem auf eine umweltschonende Bewirtschaftung ab und regeln z.B. den Boden- und Pflanzenschutz oder welches Futter für die Tiere zugelassen ist. Aus Sicht des Tierwohls gibt es jedoch nur geringe zusätzliche Anforderungen. Der Weidegang der Tiere ist vorgeschrieben, ausser bei Tieren bis 160 Tagen, Stieren und in der Kälbermast. Das heisst, die Teilnahme am RAUS Programm ist Pflicht, das machen aber sowieso schon über 80% der Milchkühe mit. Auch die Anbindehaltung der Kühe ist bei BioSuisse erlaubt, sofern die RAUS-Bedingungen erfüllt werden. Die Trennung vom frischgeborenen Kalb und seiner Mutter wird ebenso toleriert, wie die Einzelhaltung der Kälber in sogenannten Kälberiglus. Verboten sind hingegen vollperforierte oder Vollspaltenböden und elektrische Kuhtrainer.
Viele andere Labels bauen auf der Bio-Verordnung oder den Richtlinien von BioSuisse auf, meist mit spezifischen Zusätzen. Diese Zusätze betreffen aber selten den Bereich Tierwohl oder wenn dann sind es nur kleine Änderungen, wie zum Beispiel bei Demeter dürfen Kälber nur eine statt wie bei BioSuisse acht Wochen im Kälberiglu gehalten werden (siehe Beitrag «Bio/Demeter»).
Cowpassion (CH)
Auch Cowpassion baut auf der Bio-Verordnung auf. Im Gegensatz zu anderen Labels, wird aber mehr beim Tierwohl gefordert. Zum Beispiel darf das frischgeborene Kalb nicht von der Mutter getrennt werden und die Kälber müssen ebenfalls Auslauf auf die Weide haben. Alle Cowpassion Produkte stammen von Betrieben, welche unser Produktionsreglement einhalten.
Deutschland
Gesetzlicher Tierschutz und konventionelle Haltung (DE)
Natürlich gibt es auch in Deutschland ein Tierschutzgesetz (TierSchG), welches den generellen Tierschutz regelt. Dieses ist aber nicht so streng wie das Schweizer TSchG. Zum Beispiel besagt es zwar, dass den Tieren kein Schmerz zugefügt werden darf, erlaubt aber ausdrücklich die Enthornung und Kastration von Kälbern ohne Betäubung. Neben den TierSchG gibt es eine Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung. Darin werden jedoch nur Kälber, Legehennen, Masthühner, Schweine und Kaninchen behandelt. Bei den Kälbern werden in der Verordnung aber vor allem die Anforderungen an die Ställe resp. Kälberboxen behandelt (Licht, Mindestflächen etc.). Für Kühe gibt es keine Regelungen zur Haltung. Was also nicht durch das TierSchG verboten ist, ist erlaubt.
In Deutschland gibt es viele sehr grosse Betriebe. Mehr als die Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Fläche wird von rund einem Zehntel der Betriebe bewirtschaftet. Auch in der Tierhaltung ist diese Entwicklung weit fortgeschritten. Diese Intensivhaltung in modernen Ställen und mit modernen Maschinen führt dazu, dass viele Tiere ihr ganzes Leben angebunden in Ställen verbringen und nie einen Schritt nach draussen machen dürfen. Etwa 1/5 der Kühe leben in Anbindehaltung, und nur etwas mehr als 1/3 der Kühe in Deutschland dürfen im Sommer regelmässig auf die Weide. Es gibt zwar auch in Deutschland freiwillige Agrarumwelt- und Klimaprogramme für die Landwirtschaftsbetriebe, aber auch da steht die Umwelt und nicht das Tierwohl im Vordergrund. Aber das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) arbeitet an der Einführung eines dreistufigen staatlichen Tierwohlkennzeichens, mit dem Lebensmittel aus besonders tiergerechten Haltungssystemen gelabelt und somit schnell identifiziert werden können (Link).
Ökologischer Landbau (DE)
Das EU-Bio-Logo und das deutsche Bio-Siegel stehen beide für das Einhalten der Rechtsvorschriften der Europäischen Union (EU) für den ökologischen Landbau. Daneben gibt es in Deutschland mehrere Verbände, deren Richtlinien noch über die Mindeststandards der EU für den ökologischen Landbau hinausgehen. Die biologische Milchproduktion ist in Deutschland aber nach wie vor ein Nischenmarkt. Nur gerade 2,5% der Milch wird als Bio-Milch produziert. Die Anforderungen beim Tierwohl weichen beim Ökolandbau weiter vom TierSchG ab als in der Schweiz die Biorichtlinien von TSchG. Dies wahrscheinlich vor allem deshalb, weil das TierSchG in Deutschland wenig streng ist als das TSchG der Schweiz. Die Kastration ohne Betäubung ist im Ökolandbau verboten, die Enthornung wird nur in Einzelfällen und nur mit Betäubung zugelassen. Die Trennung von Mutter und Kalb ist zwar erlaubt, aber das Kalb darf nur die erste Woche alleine in einer Einzelbox gehalten werden. Danach muss es in einer Gruppe sein. Für die Kühe gibt es eine Weidepflicht, jedoch aber nicht für die Kälber.
De Öko-Melkburen (DE)
Auch im Ausland gibt es vielversprechende Ansätze einer muttergebundenen Kälberaufzucht in der Milchproduktion. Zum Beispiel De Öko Melkburen in Norddeutschland setzen auf «Elternzeit für Kühe» und lassen die Kälber bei Ihrer Mutter und alle zusammen auf die Weide.
Quellen: